22.07.2022 Gipfelgang
Nach einer viel zu kurzen Nacht sind wir um Mitternacht aufgestanden. Kaum einer von uns hatte das Gefühl geschlafen zu haben. Nun, vermutlich haben wir zeitweise ein wenig die Augen zu gehabt, aber es war eher Rasten als schlafen…
Um Mitternacht dann sind wir der Reihe nach aufgestanden, haben schnell die Kocher angeworfen um Tee zu kochen bzw. unsere Wasservorräte aufzufüllen und auch ein schnelles Frühstück zu uns zu nehmen.
Leider hat das etwas länger gedauert als geplant und so sind wir erst um ca. 01:45 los gekommen, also eine Dreiviertelstunde später, als Wolfi und ich eigentlich geplant hatten. Dennoch waren wir die erste Gruppe, die im Schein ihrer Stirnlampen los ist.
Von unserem Lager ging es erstmal gute 100 Höhenmeter abwärts, in eine Scharte, vor dem der Anstieg beginnt. Es folgten gute 400 Höhenmeter extrem steiler Anstieg in feinem Schotter- und Erdgelände. Da der Schotter gefroren war, waren die Steigeisen ziemlich hilfreich. Zum Glück konnten wir im Dunkeln nicht wirklich sehen, wo und wohin wir unterwegs waren… gute 2 Stunden benötigten wir für diese erste Steilstufe.
Im Dunkeln gehen ist immer eine ganz eigene Erfahrung! Man „stolpert“ so vor sich hin, bekommt nicht wirklich viel mit vom Gelände, Steilheit und auch das Zeitgefühl geht - zum Glück - verloren… So machten wir ca. jede Stunde eine kurze Trink- und Verschnaufpause und schraubten kontinuierlich nach oben Richtung Gipfel. Bald kamen wir zum sogenannten „Messer“, der Schlüsselstelle des Anstieges auf einer Höhe von ca. 6600 Meter. Das „Messer“ ist ein steiler, scharfer Schneegrat, den es zu überwinden gilt. Ca. 60-70 Höhenmeter, die mit Fixseilen versichert sind… auch das für uns kein großes Problem. Nun kamen endlich auch die ersten Sonnenstrahlen zu uns. Die Stunden vor dem Sonnenaufgang sind die kältesten Stunden der Nacht und somit ist jeder Sonnenstrahl willkommen! Und wir spürten jeden einzelnen dieser Strahle.
Natürlich war das Schauspiel des Sonnenaufgangss am Berg und über dem weiten Gipfelmeer des hohen Pamir auch ganz besonders. Doch im Zuge der großen Anstrengung und der stellenweise doch anspruchsvollen Route konnten wir dieses Schauspiel nicht so recht genießen…
Weiter ging es nun in einer langen, stellenweise ausgesetzten Traverse, bis wir die letzten klangen Hänge bis zum Gipfel erreichten. In dieser Höhe geht man nur mehr automatisch. 50 Schritte, und man benötigt wieder eine Pause. 1 Schritt - 1 Atemzug. Weiter oben dann, und nach so vielen Höhenmetern, sind es wohl 2 oder sogar 3 Atemzüge pro Schritt!!! Man hechelt bzw. hyperventiliert… was natürlich für die Lunge auch besonders anstrengend ist. Den Pik Lenin kann man sich nur mit viel Willenskraft erkämpfen!
Mal war der Eine vorne, mal der Andere… aber im großen und ganzen war unsere Gruppe weitgehend geschloßen unterwegs, was wir unserem Bergführer Wolfi zu danken haben!
Die Ersten erreichten den Gipfel um ca. 11:45 am Vormittag, die letzten unserer Gruppe wohl ca. 30 Minuten später…
Der Gipfel des Pik Lenin ist zum Glück schon von ziemlich weit weg sichtbar und durch nepalesische Gebetsfahnen markiert. Man erblickt diese Fahnen sicherlich ca. 150 Höhenmeter vor dem man den Gipfel erreicht. 50 Höhenmeter sind in dieser Höhe für uns 1 gute Stunde oder sogar mehr…
Am Gipfel dann natürlich auch die obligate Büste von Lenin und so hat man die Gewissheit, dass man den Gipfel des Pik Lenin auch wirklich erreicht hat!
Nun weicht die Erschöpfung, man freut sich, umarmt sich, macht die obligaten Gipfelfotos…
Wir bleiben fast eine Stunde am Gipfel. Wir haben Glück: es ist windstill, fast warm!
Doch wissen wir natürlich, dass der Rückweg lang ist und ebenfalls Kräfte raubend!
Gemeinsam starten wir in den langen Rückweg! Hat der Aufstieg ca. 10 Stunden gedauert, benötigen wir für den Rückweg 4 bis 5 Stunden… am anstrengendsten natürlich der lange Gegenanstieg von der Scharte bis zu unserem Lager, das wir zwischen 16:30 und 17:30 wieder erreichen. Erschöpft, aber natürlich entsprechend glücklich. Immerhin sind wir inklusive Gegenanstiege ca. 1300 Höhenmeter auf- und abgestiegen und haben 16 km hinter uns gebracht, in Höhen von bis zu 7100 Meter…
Wir haben heute nicht viele andere Bergsteiger getroffen. Ein paar schon, aber wir waren doch erstaunlich einsam unterwegs.
Erschöpft kriechen wir in unsere Schlafsäcke, um erstmal ein paar Minuten zu rasten. Dann natürlich wieder… Schnee schmelzen, Wasser kochen, Essen zubereiten… einerseits schon automatisiert, aber dennoch anstrengend… Bald schlafen wir ein und wissen, dass morgen ein weiterer anstrengender Tag bevorsteht.
23.07.2022 Abstieg ins vorgeschobenen Basislager
Nach einer langen aber doch fast zu kurzen Nacht wachen wir gegen 07:00 auf. Nach dem obligaten raschen Frühstück heißt es nun: Lager abbauen, die riesigen, schweren Rucksäcke zu schultern und absteigen, in Richtung vorgeschobenes Basislager. Nach guten 2 Stunden Gehzeit erreichen wir das Lager 2 auf 5300 Meter. Hier steht noch eines unserer Zelte und auch weitere Ausrüstung, die wir ebenfalls mitnehmen. Wir wollen alles heute schon mitnehmen, damit wir später nicht nochmals aufsteigen müssen!
Mit Rucksäcken, die teilweise gefühlterweise weit über 20 Kg wiegen, geht es nun am Spaltenbreiten Gletscher abwärts.
Wir staunen, wie sich der Gletscher durch die Hitze der vergangenen 5 Tage verändert hat! Die vorhandenen Spalten haben sich vervielfacht! Richtig riesige Löcher haben sich aufgemacht, titele Schlunde, die in der Tiefe nur mehr schwarz sind… Löcher ohne sichtbaren Grund…
Wir müssen plötzlich Umwege gehen, die vor ein paar Tagen nicht denkbar gewesen waren. Doch auch das schaffen wir und endlich, nach einem langwierigen Abstieg entlang der Fixseile haben wir auch den abschließenden Gletscherbruch hinter uns. Gegen 16:30 erreichen wir endlich unser vorgeschobenes Basislager.
Nun kommt die Mannschaft des Lagers zu uns, gratuliert zum tollen Erfolg: alle am Gipfel, und das bei diesen heuer doch so schwierigen Verhältnissen!! Fast unglaublich…
Nun sind wir am Ziel aber auch am Ende unserer Kräfte!!
Endlich, nach 5 Tagen am Berg, ein echtes, gutes Abendessen, wir lassen uns verwöhnen von dieser tollen Mannschaft.
24.07.2022 Abstieg ins Basislager Ashik Tash
Am Sonntag dann der fast schon gemütliche Abstieg vom vorgeschobenem Basislager ins Basislager Ashik Tash auf 3600 Meter. Hier endet unsere Expedition. Hier treffen wir auch wiederum Elias und Parham und sind wieder vereint!
25.07.2022 Tag im Basislager Ashik Tash
Den Montag verbringen wir in Ashik Tash, mit Rasten, Material sortieren, Zelte säubern, trocknen und sortieren. Und natürlich darf das eine oder andere Bier nicht fehlen…
26.07.2022 Fahrt nach Osh
Heute Dienstag sind wir nach Osh gefahren, der großen Stadt im Süden von Kirgistan. Hier werden wir 2 gemütliche Tage verbringen, bevor es nach Bishkek und dann heim geht…
Von: Beat und Erika Lehmann
Nochmals herzlichen Dank dem Schreibenden für die grosse Arbeit. Es war/ist immer ein Vergnügen, die Einträge zu lesen und uns an den schönen Fotos zu freuen. Es war wie in einem Krimi, spannend bis am Schluss. Machts noch gut und proooooost - ihr habts verdient.
Von: Renate Edinger
Wow, da fiebert man beim Lesen mit. Tolle Fotos, tolle Leistung!